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Berlin den 6ten Oktober 1844 Protokoll 1844/10/06 Universitätsbibliothek (Berlin, Humboldt-Universität) Tunnel über der Spree
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Berlin den 6ten Oktober 1844 Universitätsbibliothek (Berlin, Humboldt-Universität) ; Tunnel über der Spree
Protokoll 1844/10/06
Loos, Woldemar von [Verfasser]
06.10.1844. - 2 Bl. (Bl. 91-92), 2, Deutsch. - Dokument
Inhaltsangabe: Anwesend (im Text erwähnt): Immermann, Matthisson, Platen; "wenig zahlreiche Versammlung";Im Protokoll hervorgehoben:;Matthisson, Sternen-Jahreszeiten (Span 3255.115) (Bewertung: gut);Matthisson, Nach dem ersten Kusse (Span 3256.116) (Bewertung: gut);Besprechung über den Zustand des Tunnels;Weiteres aus dem Protokoll:;Die Sitzung findet unter dem "Vorsitz" von Immermann, dem "Vice-Haupt", statt.;"Betrachtungen über den gegenwärtigen verwahrlosten Zustand des Tunnelreiches" werden angestellt, da "Haupt, Sekretär, Kassierer - und ohne Mathisson's Heldenmuth auch Späne - fehlten". Zudem seien "mangelnde Protokolle", zuwenig Späne und eine "Magerkeit der Debatte, bei zu Zeiten unverkennbarer Mattigkeit des Interesses" anzutreffen.;1. Kritisiert wird, daß die "Dichter häufig verschüchtert, wenn nicht verletzt" werden, "solange man sich erlaube, sie während des Vortrages ernster Gedichte durch Scherze zu unterbrechen." Bei einer solchen "Stimmung der Hörer" müsse "das beste Gedicht [...] seine Wirkung verfehlen". Der Dichter werde dadurch zu dem Entschluß kommen, in Zukunft "derartige Erzeugnisse vor diesem Publikum zurückzuhalten." Daher fordert man eine "größere Pietät für den Dichter, besonders solange er lese, ohne übrigens im Geringsten bei der nachherigen Beurtheilung selbst ernster Gedichte allen Scherz verpönen zu wollen.";2. Die Forderungen "eines bedeutenden Gedankeninhaltes und einer gewissen Macht des Ausdrucks" werden bisher auch an einfachere Gedichte ("wie Lieder, kleine Naturbilder u. dergl.") gestellt, welche dem "ihrer Natur nach nicht genügen können" und daher "oft nicht gehörig gewürdigt" werden. "Nicht bloß an Masse der Stoffe, auch in Hinsicht auf den Gehalt desselben verlören wir [der Verein] dadurch, indem solche Mitglieder, deren poetische Individualität sich mehr auf die Seite der Empfindung als auf diejenige der Phantasie und des vorwiegenden Gedankens neigt, keinen dankbaren Boden für ihre Blumen fänden.";[noch zu 2.:] "Zudem sollten wir nicht vergessen, daß die Aufgabe unseres Vereins [...] weniger in dem politischen Werth des Hervorgebrachten, als in der gegenseitigen Anregung, Erheiterung und Aufklärung in ästhetischer Rücksicht zu sehen ist. Ohne also zu verlangen [...], daß die Kritik ihren strengen Maßstab mit einem milderen vertausche, daß sie das Ideal aus den Augen verliere, sollte sie doch immer so klar sein, das vorliegende Erzeugnis nur mit dem Ideal seiner Gattung zu vergleichen und nicht etwa von einem Liede verlangen, daß es durch schwerwiegende Gedanken oder gewaltige Bilder Geist und Phantasie anrege und bekräftige, während es doch nur vom Herzen kommen und zum Herzem gehen will und soll.";[noch zu 2.:] "Am Wenigsten aber sollte gegen diese Art der Dichtung ein bestimmtes Vorurtheil sich festsetzen, so daß der Vortragende schon nach Nennung der Ueberschrift seines Spans auf ein wenig geneigtes Auditorium gefaßt sein müßte.";3. Der Protokollant, Platen, notiert "die Nothwendigkeit einer streng festgehaltenen Ordnung während der Verhandlungen". Dem stimmen auch diejenigen, die zur "Reform bestehender Gesetze" "öfters Vorschläge" machen, zu. Der Meinung letzterer zufolge besteht diese "Ordnung weniger in einem starren Festhalten vielleicht nicht mehr zweckmäßiger Bestimmungen, als in strenger Aufrechthaltung der gegenwärtig geltenden Gesetze". Auch sie verleugnen die angesprochenen Mißstände nicht, unter der "die frühere parlamentarische Haltung des Tunnels jetzt merklich gelitten habe. Es sei deshalb sehr wünschenswerth, daß das nächste Winterhaupt mit großer Energie überall auf genaue Beobachtung der verfassungsmäßigen Formen halte.";4. Nun wird "die verminderte Gründlichkeit und der geringe Gehalt der Debatte" angesprochen, wofür man weniger "die Spärlichkeit der Späne überhaupt" und "die Seltenheit guter Produkte" verantwortlich macht, "da man sich wohl erinnerte, daß oft sehr mittelmäßige Gedichte zu den interessantesten Erörterungen Anlaß geben." Dem "fühlbaren Verlust eines Hauptdialektikers" kann die "Entwerthung der Discussion nicht allein zugeschrieben" werden, sondern muß, neben der "allzuhäufigen Abwesenheit vieler Mitglieder", in der "Lauigkeit des Interesses, [...] in den Privatunterhaltungen und in der mangelnden Ordnung beim Abgeben der Voten" gesucht werden.;[noch zu 4.:] Als weitere Ursachen für die "Verflachung der Kritik" werden vermerkt: "die Beschleunigung der Debatte, wenn die Stunde vorgerückt ist oder viele Späne vorliegen". Die "Befugnis des Hauptes", "Ungehörigkeiten oder unnütze Wiederholungen augenblicklich abzuschneiden", wird nicht bestritten.;5. Einige Mitglieder bezweifeln, daß allein durch das Abstellen der erwähnten "Uebelstände" "ein merklicher Aufschwung des Vereins oder gar eine ähnliche Epoche blühender Lebenskraft, wie er sie gerade vor einem Jahre zeigte" erreichbar sei. Sie fordern "mehr Stoff" um des Vereins "Thätigkeit etwas zu entwickeln". Sie "wünschen", daß "viele schöne Kräfte", die aus verschiedenen Gründen momentan "säumten", "sich zur Lieferung wenigstens eines Spans monatlich verpflichten würden.";Angeregt wird, "daß nach der bevorstehenden Wahl Haupt und Sekretär sich über die Möglichkeit die Sitzungen regelmäßig zu besuchen erklären müßten." Die "Ergebnisse der heutigen Besprechung" sollen "im nächsten Deliberationstunnel dem Plenum des Vereins zur Beschlußnahme" vorgelegt werden.Protokoll 17. Jg., 46. Tunnel.
In: Protokolle, Jg. 17 (1843/44) [Dokument]
Pfad: Tunnel über der Spree / Protokolle, Jg. 17 (1843/44)
DE-611-HS-3671825, http://kalliope-verbund.info/DE-611-HS-3671825
Erfassung: 12. Mai 1999 ; Modifikation: 24. Februar 2025 ; Synchronisierungsdatum: 2025-04-25T03:18:11+01:00