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"Erzählung" - Venezianisches Thesenpapier zum Vergleich Reformation und Revolution (Manuscripte) Staatsbibliothek zu Berlin. Handschriftenabteilung Nachlaß Leopold von Ranke
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"Erzählung" - Venezianisches Thesenpapier zum Vergleich Reformation und Revolution (Manuscripte) Staatsbibliothek zu Berlin. Handschriftenabteilung ; Nachlaß Leopold von Ranke
Ranke, Leopold von (1795-1886) [Verfasser]
Venedig, 1828-1830. - 2 Bl., Deutsch
Inhaltsangabe: Bl.1 - In diesem nur einseitig beschriebenen DoppelBl. stellt Ranke thesenartig Ähnlichkeiten und Unterschiede von Reformation und Revolution zusammen; sehr vermutlich ist der fragmentarisch erhaltene Text in Venedig entstanden: Deutlich nimmt das Thesen-Papier Leipziger Ideen auf (vgl. etwa seine frühen Excerpte aus Hortleder), auch Rankes Wiener Gespräche mit Friedrich Gentz mögen darin nachwirken: Erkennbar ist Ranke bemüht, Positives zur Reformation zusammenzutragen - man mag darin einen weiteren, entscheidenden Impuls hin zur „Deutschen Geschichte im Zeitalter der Reformation“ bemerken, weshalb wir Rankes Thesenpapier möglichst voll transcribiert hier her legen: „Erzählung Man hat nicht selten die religiösen Bewegungen früherer Jahrhunderte mit den revolutionären des gegenwärtigen zusammengestellt, und läugnen läßt s[ich] nicht, daß sie viel Ähnliches mit einander haben. Ihr Character: der Abfall von einer bisher anerkannten und verehrten Gewalt und d[ie] geistige Schnelligkeit ihrer Verbreitung – u ihre Wirkungen: die Erschütterung der Gesellschaft bis in ihre Grundlagen u langwierige Kriege; Umgestaltung der Lage von ganz Europa, alles dieß ist ihnen gemein. Dennoch sind die Unterschiede nicht minder wesentlich, als die Ähnlichkeiten. Es ist nicht meine Absicht, sie in den Prinzipien aufzusuchen. Gewiß war das Principium der Reformation, die Verwirklichung einer durch das geschriebene Wort mitgetheilten Idee, unendlich viel stabiler, als irgend ein revolutionäres [Principium]; um so mehr, da es sofort zu einer Confession führte, welche die Gewissen auf immer verpflichtete. Ganz anders trat dieselbe in der Welt hervor. Die Reformation ward gleich von Anfang den Bewegungen der Menge entrissen; wo sie einen Stand behauptet hat, ist sie durch die Legaten[?] der fürstlichen Gewalt mit deren eigenem guten Willen [eingeführt – verbessert in:] festgestellt worden. [Durchgestrichen: Ich will nicht sagen: immer, allein oft genug hatte des Interesse der Staaten an einem solchen Entschluss der Fürsten (..) seinen Antheil. (..)] Niemals hatte ein Mensch an dem Recht einer Opposition der weltlichen Gewalt gegen die geistliche ernsthaft gezweifelt, und die Reformation verlor augenblicklich den Character des Aufruhrs; sie war weit entfernt eine Umwälzung der Gesellschaft von Grund aus zu veranlassen. Vielmehr wird man gestehen müssen, daß das Staatsinteresse nicht selten an dem Entschluß der Fürsten, ihr Land zu reformieren, wenn nicht den hauptsächlichen aber immer einen gewißen Antheil hatte, und so viel ist deutlich daß [bricht ab, eventuell eingelegte FolgeBl. fehlen]“.Bemerkung: Das angesprochene Verhältnis Reformation//Revolution wird Ranke sein ganzes Werk hindurch beschäftigen – was etwa die Quellen betrifft, so mag hier der Hinweis genügen auf Rankes große, sich heute in dessen Bibliothek in Syracuse befindliche, ca.4000 Einzelstücke umfassende pamphlet-Sammlungen gerade aus Zeiten von Reformation und Revolution (z.B. die im Nebenkatalog II zu Rankes handschriftlichem Bibliothekskatalog (GMC 597) verzeichneten 57Bd. zumeist mit Flugschriften 1789-96 zur Franz. Revolution (vgl. Ra 944.04 R45); Und zu Rankes Werken vgl. u.a. „Über die Zeiten Ferdinands I. und Maximilians II“ (Hist.pol. Zeitschrift Heft 2/Juli 1832 S.224 (SW 7 S.4; mit ausdrücklichem Verweis auf George Cannings Wort von der „Resemblance“ zwischen Reformation und Revolution) sowie „Die Idee der Volkssouveränität in den Schriften der Jesuiten“ (Heft 7/Feb. 1835 S.606 (SW 24 S.225; mit ausdrücklichem Verweis auf Victor Hugo „Preparant l’anarchie politique par l’anarchie religieuse“ aus den Oeuvres Completes II/1834 S.127), sowie u.a. in Rankes „Päpsten“ SW 39 S.244f. das Kapitel „Revolution“, und zumal in der „Deutschen Geschichte im Zeitalter der Reformation“ z.B. die Kapitel „Bauernkrieg“ (SW 2 S.124f.), „Wiedertäufer zu Münster“ (SW 3 S.361f.), "Bürgermeister Wullenweber in Lübeck"(SW 3 S.457f.). Auch der bereits bei Rankes frühen Hortleder-Excerpten genannte Titel aus Rankes Leipziger Zeit sei hier nochmals erwähnt: Karl Heinrich Ludwig Pölitz „Die Ähnlichkeit des Kampfes um bürgerliche und politische Freiheit in unserem Zeitalter mit dem Kampfe um die religiöse und kirchliche Freiheit im Zeitalter der Reformation“, Vortrag 30.Oct.1817, in: Friedrich Keyser (Hg.) Reformations Almanach auf das Jahr 1819, zweiter Jahrgang; Erfurt (Sept.)1818; S.123f.; vgl. Pölitz: Die demagogischen Umtriebe im Zeitalter der Kirchenverbesserung, und: Die beiden Wendepuncte im Kampfe um die religöse und kirchliche Freiheit, beide in: (Pölitz) Vermischte Schriften, Bd.2(S.89f./S.344f.), Leipzig 1831; (vgl. zu Gentz‘ Position etwa dessen Ausruf im Brief an Adam Heinrich Müller vom 19.April 1819 – nach dem Mord an Kotzebue: „Der Protestantismus ist die erste, wahre und einzige Quelle aller ungeheuren Übel, unter welchen wir heute erliegen“; vgl. neben Gentz etwa auch Heinrich Heines Rede von der „Revolution, die große Tochter der Reformation“ von 1833). Allemal öffnet Rankes "Erzählung" Tore zu einem weiten Diskursfeld. 2Bl., nur DeckBl. beschrieben; grüngraues Bütten (WZ: T.Salsa, 19,6x28,5cm; angestaubt, zumal an den Rändern zerknickt).
Ausreifungsgrad: Eigenhändiges Thesenpapier, Fragment.
Objekteigenschaften: HandschriftPfad: Nachlaß Leopold von Ranke / Segment III: Deutsche Geschichten / Reformation
DE-611-HS-3889295, http://kalliope-verbund.info/DE-611-HS-3889295
Erfassung: 3. August 2022 ; Modifikation: 26. September 2022 ; Synchronisierungsdatum: 2025-09-19T15:38:37+01:00